TSCHNERNOBYL
Bei diesem Namen entstehen in jedem von uns Bilder dieser bisher gravierendsten Atomkraftwerk-Katastrophe, die sich 1986 ereignete: Der zerstörte Kraftwerksblock 4, die überstürzt verlassenen Städte und Siedlungen, Menschen bei ihren lebensgefährlichen Dekontaminierungsarbeiten am Unglücksort.
Viele Informationen kann man auch finden über die Konsequenzen der enormen Strahlungsbelastungen für die Menschen, die geradezu schicksalhaft der Wirkung der radioaktiven Staubwolken ausgesetzt waren. Nicht nur die damals akut betroffenen Familien, auch die nunmehr zweite Elterngeneration muss heute erfahren, dass ihre Kinder einem hohen Risiko unterliegen, an Krebs- und anderen schwerwiegenden, oft unheilbaren Krankheiten zu erkranken und zu sterben.
Was Kinder, Eltern, Ärzte und medizinisches Personal als Betroffene und Beteiligte erleben, wie sie leiden, wie sie kämpfen, wie ihr Alltag aussieht – dies alles spielt sich eher außerhalb der öffentlichen Aufmerksamkeit ab. Dabei zeigt sich gerade an den Einzelschicksalen das Ausmaß menschlicher Tragödien, zeigen sich die Folgen dieses GAUs – am Beispiel eines aus der Anonymität, aus der Statistik herausgehobenen Kindes, einer Familie.
Es ist das großartige Verdienst des weißrussischen Fotografen Anatol Kljashtchuk, diese Schicksale mit klaren Schwarz-Weiß-Fotografien erlebbar und erfühlbar gemacht zu haben.
Anatol Kljashtchuk, geboren 1957, ist studierter Journalist, lebt und arbeitet in Minsk. Seine Fotos wurden inzwischen in zahlreichen Ausstellungen in Deutschland, Europa und den USA gezeigt. In einem Beitrag „Warum ich fotografiere“ berichtet er von seiner Arbeit direkt in der Tschernobyl-Zone. Vor allem aber will er aufmerksam machen auf die wesentlich tragischere Seite der Kraftwerkskatastrophe – deren Folgen im Leben und der Gesundheit der betroffenen Menschen – früher Tod, Krankheiten und Leiden.
„In unser Alltagsleben sind so schreckliche Krankheiten gekommen wie Schilddrüsenkrebs, Hirntumore, Leukämien, Krebs der Atemwege und Verdauungsorgane. Ich sehe die leblosen Augen der Kinder, die ständig mit Infusionen behandelt werden und sich nur langsam nach der Chemotherapie und Bestrahlung erholen. Der Lebensraum wurde für viele von ihnen auf die Ausmaße der Krankenzimmer und Krankenhausflure verengt. Mit den ersten Schritten und Worten beherrschen sie den komplizierten Wortschatz der Arzneinamen und verstehen den Sinn der schrecklichen Fachausdrücke: Sarkom, Lymphoblastom, Anämie. Kahle Köpfe von Jungen und Mädchen stehen vor meinen Augen, wenn die Rede von Kindern der Zukunft ist.“
Anatol Kljashtchuk sagt, dass die Fotokamera seine Waffe gegen Tschernobyl ist. Es sei seine besondere Verpflichtung, alles das zu fotografieren, um mit Bildern von der harten Realität der folgenschweren Katastrophe gegen Gleichgültigkeit und Verdrängung anzugehen.
Eine Auswahl der so einfühlsamen und wichtigen Fotografien Anatol Kljashtchuks stellen wir auf unserer Internetseite vor. Anatol hat uns dafür seine Zustimmung gegeben. Dafür und die freundliche Art, in der er das tat, danken wir ihm sehr. Die oft beschworene Macht der Bilder, und dieser hier im Besonderen, soll Ansporn und Motivation für Menschen stiften, auch die Arbeit unseres Vereins zu unterstützen.
Eine eigene kleine Bildergeschichte vom Kämpfen und Verlieren erzählt Anatol Kljashtchuk von Valya.