Eine Komödie in vier Akten.
Was haben ein Busfahrer, ein Rentner, eine Hebamme, ein Bürgermeister, ein Aufzugsmonteur und noch eine Menge Anderer aus der Mitte der Gesellschaft gemeinsam?
In diesem Fall das Herz auf dem rechten Fleck.
Durch einen guten Bekannten erfuhr ich von der Arbeit eines besonderen gemeinnützigen Vereines, welcher sich seit vielen Jahren der Hilfe und Unterstützung krebskranker Kinder in Weißrussland verschrieben hat. In dem vom Fall-Out der Reaktorkatastrophe des Atomkraftwerkes Tschernobyl vom 26.04.1986 besonders stark betroffenen Gebiet rund um die Stadt Brest haben sie zu Familien mit kranken Kindern Kontakte geknüpft und bringen die Hilfen persönlich dort hin, um sicherzugehen, dass sie auch ankommen.
Viele der Helfer sind schon seit vielen Jahren dabei, trotz der Strapazen, die diese Fahrten bedeuten.
In diesem Jahr, vom 07.01.2024 bis 14.01.2024, durfte ich erstmals dabei sein und es wird sicherlich nicht bei diesem einen Mal bleiben.
Los ging die wilde Fahrt am Sonntag, 07.01.2024 um 23:00 Uhr in Greiz mit zehn Gespannen aus PKW und Anhängern und einem Führungsfahrzeug, plakativ beschriftet mit „KONVOI“ und Rundumleuchte auf dem Fahrzeugdach in Richtung des Grenzübergangs Görlitz.
Relativ störungsfrei ging es durch Polen, auf der Karte betrachtet bedeutete das ca. 1000 km von links nach rechts, bis wir gegen 15:00 Uhr am Montag zur letzten Rast vor der weißrussischen Grenze, in Hórbow stoppten. Hier ging es nach einem gemeinsamen Abendessen direkt ins Bett im Hotel, um für den folgenden Tag gerüstet zu sein.
…so weit, so friedlich. Das böse Erwachen erfolgte kurz nach Mitternacht am Dienstag, als wir Mitreisenden relativ unsanft aus dem Schlaf gerissen wurden, da die weißrussische Helferin des Vereins den Startschuss zur Grenzüberquerung gab.
Ab da wurde es, naja, nennen wir es freundlich, ein wenig kurios. Es ging, wie beschrieben, im Konvoi zur Grenze. Das ist aber nicht etwa wie ein Grenzübertritt von Deutschland in die Tschechische Republik, hier fährt man „rüber“ und ist da, ohne Kontrollen oder Ähnliches. Um nach Weißrussland zu gelangen, muss man erst die EU-Außengrenze aus Polen passieren und danach die Einreise über die Weißrussische Grenze bewältigen. In unserem speziellen Fall bedeutete das in Zahlen gesprochen 1x fünf Stunden Wiegen, Kontrollieren, Durchleuchten, um aus Polen auszureisen. Anschließend folgten weitere fünf Stunden am weißrussischen Übergang mit Röntgen, Personenstandskontrolle und Fahrzeugkontrolle, um einreisen zu können.
Was nun folgte, lässt sich jemandem, der es nicht erlebt hat, schwer näherbringen. Nach erfolgreicher Einreise kamen wir vor unserem eigentlichen Ziel für ungefähr 27 Stunden nach Schildbürg. Eine treffendere Beschreibung fällt mir dazu leider nicht ein.
Hierzu muss erklärt werden, dass jede größere Stadt in Weißrussland über einen Stadtzoll verfügt, welchen einreisende Fahrzeuge passieren müssen. Hier standen wir nun mit unserem Tross mit Anhängern, welche mit verschiedenen Hilfsgütern beladen waren und es kümmerte sich erstmal die kommenden vier oder fünf Stunden niemand um uns, obwohl wir bei den Behörden ordnungsgemäß angemeldet waren und auch alle benötigten Papiere vorweisen konnten. Nach kurzer Beratung (wie erwähnt, 4-5 Stunden), wie mit uns zu verfahren sei, erhielten wir die Anweisung, dass alle Hänger und Fahrzeuge entladen und in Augenschein genommen werden müssen. Wie es überall ist, begegneten wir dort hilfsbereiten, freundlichen, aber auch übellaunigen Angestellten.
Nachdem wir uns nun endlich geschlossen unseren Passierschein A38 abholen durften, ging es nochmal in Kolonne zum hiesigen Lager, um schon einen Teil der Güter zu entladen.
In der Folge war durchatmen angesagt, es ging zu unseren Gastfamilien, in denen wir herzlich empfangen und mehr als reichhaltig bewirtet wurden, mit Essen und Getränken, versteht sich. Die allgemeine Devise lautete: „Gut essen, gut trinken, gut schlafen“.
Ein Teil der Besatzung traf sich am Donnerstag nach dem Arbeitseinsatz im Lager, bei dem die restlichen Waren verräumt wurden, in der sogenannten „Katja-Kirche“ zum Komiteeabend. Hier wurden neue Vereinsmitglieder vorgestellt und aufgenommen. Nach diesen Formalitäten wurden noch Geschenke an die Kinder verteilt und man lernte sich beim gemeinsamen Essen besser kennen. Wir hörten wieder viele Geschichten mit gutem, aber auch nicht so gutem Ausgang, was uns erneut vor Augen führte, warum man sich dafür engagiert. Diese Schicksale mitzubekommen und ein Stück weit abmildern zu können, ist Lohn genug.
Am Freitag hatten mein Partner und ich mit unserer Familie noch ein ganz besonderes Erlebnis, wir haben eine private Führung in der Festung Brest bekommen, bei welcher sich die dreizehnjährige Tochter der Gastfamilie als ausgezeichnete Fremdenführerin erwies und uns viele interessante geschichtliche Details näherbrachte.
Abschließend wurden unsere Gastfamilie und wir von einer anderen Familie eingeladen, den Abend gemeinsam zu verbringen. Hierzu ging es in eine abgelegene Datscha. Auf dem Weg befürchteten wir mehrfach, dass wir von der Erdscheibe fallen, da wir mitten durch den Wald auf nichtbefestigten Wegen fuhren. Unser sehr nervenstarker Taxifahrer quittierte unsere Befürchtungen allerdings nur mit einem Schulterzucken und brachte uns sicher ans Ziel, an welchem uns (schon wieder – puh) neben einem reichhaltigen Buffet, den obligatorischen Getränken auch eine „rassia Wanja“, eine russische Sauna erwarteten. Erzählungen nach wurde sogar eine Flasche Cola gesichtet.
Es wurde ein sehr schöner letzter Abend in diesem ungewöhnlichen Land, dessen Menschen einem in kürzester Zeit durch ihre herzliche und gastfreundliche Art ans Herz wachsen und alle Mühen vergessen lassen.
Am Samstagmorgen gab es am Lager in Brést ein letztes großes Hallo und einen Abschied, bei dem auch die starken Kerle ein Tränchen verdrückten. Reichlich mit Gastgeschenken bedacht, machte sich unsere kleine Gruppe auf den Weg zur Grenze. Abgehärtet durch den Hinweg erschien die Ausreise mit ihren gerade mal 6,5 Stunden wie ein Kindergeburtstag.
Abschließend bleibt zu sagen, egal wie strapaziös und schwierig sich die Reise gestaltet, ich würde es wieder tun. Claudia Jäkel
Der Verein Hilfstransport Greiz-Brest bedankt sich bei Allen Unterstützern die zum Gelingen der humanitären Hilfe beigetragen haben und für Freude und Hoffnung in den Familien mit krebskranken und behinderten Kindern beigetragen haben.
Von Claudia Jäkel
Nun beginnen die Vorbereitungen für den nächsten Hilfstransport im Mai 2024.